Am 1.April kam ein „echter Bonsai-Kater“ auf meine Pflegestelle. Louis war als freilebender Kater geboren, hatte aber regelmäßige Fütterung. Auf den ersten Blick war nicht ersichtlich, warum er mit 7 Monaten aussah wie ein 12 Wochen altes Katzenkind. Aber die Beschreibung der Dame, die ihn und seine Familie fütterte ließ einiges erahnen. Louis erschöpfte die geringste Anstrengung, selbst nach ein paar Bröckchen Futter hatte er Luftnot. Er war immer in der Nähe der Futterstelle unter Büschen versteckt. Die erste Untersuchung der Tierärztin bestätigte die Vermutung, Louis hatte einen schweren Herzfehler, Schon im Ruhezustand waren seine Schleimhäute bläulich verfärbt, strengte er sich auch nur etwas an, atmete er sehr heftig. Manchmal bekam er einen solchen „Herzanfall“, dass er unter sich machte. Und jedes mal dachte ich: jetzt stirbt er. Ehrlich gesagt wunderte ich mich, dass er den Transport und den Tierarztbesuch überlebt hatte. Louis wohnte erst mal in einem großen Käfig und in 3 Tagen war er handzahm, mit freudigem Schnurren zur Begrüßung, treteln auf seinem Bettchen und Miau. An Erkundungen der weiteren Umgebung war er nicht sonderlich interessiert, das war ihm wohl zu anstrengend. Immer wenn ich ihn im Zimmer auf den Boden setzte, dauerte es nicht lange und er lag im Hundekorb(der dazugehörige Hund liegt meist im Nebenzimmer auf dem Sofa!). Wenn Pflegekater Hans aus dem Nebenzimmer kam und ihn beäugte, war er zwar interessiert, aber er stand nie auf, um zu gucken wo der so hinging. So lebte Louis in jeden neuen Tag hinein und die anderen Zweibeiner vom KatzenLeben und ich fragten uns, was machen wir mit dem kleinen Kerl? Weitere Untersuchungen? Was sollte das bringen, selbst wenn es zu operieren gewesen wäre, das Geld hätten wir niemals aufbringen können. Einschläfern? Das hätte ich sofort machen lassen, wenn ich den Eindruck gehabt hätte, er quält sich nur noch. Aber Louis mümmelte immer gemächlich an seinem breiig gemachten Futter herum, forderte neues ein und freute sich über jede noch so kleine Aufmerksamkeit.
Alle Fragen erledigten sich am 6. Mai, Louis starb bei einem Herzanfall,den er dieses mal ohne vorherige Anstrengung bekam. Es war für mich beruhigend, dabei sein zu dürfen und zu sehen, dass er sich nicht quälte.
Die Frage, warum er nicht schon viel früher gestorben ist, wurde mir beantwortet. Der schwer kranke Louis sollte noch Wärme, Geborgenheit, Streicheleinheiten kennenlernen und er sollte uns Zweibeiner lehren, Leben hat viele Maßstäbe und wir sollten unseren nicht einfach bei anderen anwenden, sondern hinschauen, um den anderen Maßstab zu sehen.
Ich bin traurig, mein erster Blick wenn ich in die Küche komme gilt immer noch seinem Platz obwohl alle Sachen weggeräumt sind und zugleich glücklich, dass ich ihn kennenlernen durfte.
MA