Leonie verstorben


Leonie ist am Donnerstag, den 6. Oktober 2016 verstorben.

Leonie war eine ganz besondere Katze. Ich lernte sie kennen als sie ca. 10 Wochen alt war. Da wurde sie bei dem Katzenschutzverein abgegeben, für den ich damals ehrenamtlich arbeitete. Sie hatte wohl eine Unfall gehabt, welcher Art wußte niemand. Die Folge war ein Bruch der Wirbelsäule wodurch der Schwanz und die Schließmuskeln von Blase und Darm  gelähmt waren. Zeit ihres Lebens konnte sie weder Kot noch Urin kontrolliert absetzen. D.h. sie verlor alles im Laufen und Liegen. Eine Menge Arbeit, denn dadurch daß sie sich ansonsten völlig normal bewegen konnte, war eine Windel nicht möglich, da alles sofort runterrutschte, der Versuch mit einem Body veranlasste Leonie dazu, sich auf dem Boden zu wälzen und wie irre zu gebärden. Also blieb nur hinterherputzen.

Mehrere Tierärzte hätten sie sofort eingeschläfert, da sie nach ihren Aussagen ständig mit Blasen- und Nierenentzündungen zu tun haben würde und nicht älter als 2-3 Jahre werden würde. Auch unter den Tierschutzkollegen des Vereines war diese Meinung vorrangig vertreten. Zudem diese Katze nicht vermittelbar war. Rein rational gute nachvollziehbare Argumente. Doch diese Katze strahlte soviel Lebenslust aus, daß ich mich querstellte und gott-sei-dank ein paar Fürsprecher hatte und somit wurde Leonie nicht getötet. Jeden Tag wurde ihr Popo gebadet, im Winter gefönt, gesalbt, um Entzündungen vorzubeugen und sie hat alles mit nur wenig Meckern mitgemacht.

Durch eine ihrer größten Fürsprecherinnen, Andrea, die leider vor vielen Jahren durch einen Herzinfarkt jung aus dem Leben gerissen wurde und der Leonie jetzt hoffentlich selbst von ihrem langen Leben berichten kann, kam Leonie zur mehrwöchigen Kur in eine ganzheitliche Tierklinik bei Trier. Dort war sie der Liebling des ganzen Teams, wenn sie nicht alles unter sich gemacht hätte, wäre sie als Praxiskatze dageblieben. Das von da verordnete hochwertige Futter hat bestimmt einen wesentlichen Beitrag zu ihrem guten Leben geleistet.

Die angedrohten Blasenentzündungen kamen tatsächlich, besonders wenn es kälter wurde und sie nach draußen wollte, also bekam sie einen Schlafplatz an der Heizung und Ausgehverbot unter 15 Grad. Der behandelnden Tierärztin, deren Spezialgebiet Naturheilkunde ist, hatte Leonie sehr viel zu verdanken, sie wurde nicht dauernd mit Antibiotika zugedröhnt. Wenn wieder mal Blut im Urin war, gab es sehr oft andere Lösungen.

Als ein Bericht über Leonie erschien hatte sie plötzlich so einige Paten, die honorierten, daß der Verein diese Katze mit durchzog, die Kosten für Spezialfutter und Tierarzt waren kein Problem mehr,sie bekam Weihnachtspakete, den Talismann aus einem, ein kleines Stofftier, hab ich heute noch.

Leonie lebte auf einer großen Diele immer mit vielen Katzen zusammen, sah viele kommen und gehen. Mit einigen wenigen Katzen hatte sie richtige Freundschaften, im Sinn ist mir besonders die dreibeinige zu Menschen  pampige Lisa geblieben. Als diese nach langer Zeit nach Stuttgart umziehen durfte, was fast schon ein Wunder war, war Leonie sehr traurig. Danach habe ich sie glaube ich nicht mehr mit einer Katze so spielen sehen wie mit Lisa. Leonie war nie unfreundlich zu anderen Katzen, wenn einer unfreundlich zu ihr war, ging sie einfach weg.

Manche Ehrenamtliche rümpften die Nase,sie müffelte halt etwas, aber die meisten hatten diese einzigartige lebensfrohe Katze gerne. Wie oft amüsierte ich mich über die staunenden Blicke, wenn Leonie im Waschbecken hing und ihr der Po gewaschen wurde.

Etwas länger als ein  Jahr in ihrem Leben war Leonie nicht so glücklich, der Verein zog um, und sie mußte die Diele mit einem Zimmer tauschen. Sehr viel weniger Menschenkontakt und kein Ausgang nach draußen, das machte ihr sehr zu schaffen. Für sie zum Glück wurde meine Tätigkeit für den Verein beendet. Ich durfte einen alten Kotten mieten, wo viel Platz für Tiere ist. Nach meinem  Umzug holte ich fünf „Ladenhüter“ (schwer vermittelbare Katzen) zu mir, darunter natürlich Leonie, ich hätte es nicht über mich bringen könne, sie zurückzulassen. Der Verein KatzenLeben Osnabrück & Umgebung e.V.  war bereit, obwohl er sich gerade erst gegründet hat, die Kosten für Futter, Tierarzt für Leonie und die anderen zu übernehmen. Sie blühte förmlich auf, besonders als sie den Zwischenboden mit Ausgang in den Garten eigenmächtig mit der Diele tauschte. Dort hatte sie wieder alles im Blick, und genau das wollte sie. Nur der kommende Winter machte mir Sorgen, die Diele ist nicht beheizbar. Aber die Idee mit der Ferkel-Rotlichlampe war genial, Leonie nahm das Angebot sofort an, ab da gab es spätestens ab 15 Grad Rotlicht. Seit sie bei mir wohnte, hatte sie nach kurzer Zeit nie wieder Blut im Urin, leichte Reizungen der Blase ja, aber keine dicken Entzündungen. Im Laufe der Zeit benötigte sie ein Verdauungsenzym für die Bauchspeicheldrüse und ein pflanzliches Medikament für die Leber. Manche Futtersorten bekamen ihr nicht so gut, dann brach sie es wieder aus oder hatte mächtigen Durchfall. Kurz nach ihrem Umzug zu mir kam ich auf die Idee mit den feuchten Reinigungstüchern für Babypopos, warum ich da nicht eher drauf gekommen war, ist mir bis heute ein Rätsel. Das tägliche Baden war vorbei, nur noch bei heftiger Verschmutzung der Transport ins Waschbecken nötig.

In diesem Jahr, ihrem letzten Sommer, drängte sie förmlich nach draußen, aus dem Dielentor raus. Nach draußen konnte sie immer, durch eine Katzenklappe in den eingezäunten Garten, wie alle anderen auch. Mehr kannte sie auch ihr Leben lang nicht. Vielleicht hat sie sich das auch von den anderen beiden abgeguckt, die ganz nach draußen dürfen, meine älteste durch das Tor, der große Kater durch eine eigene Katzentür. Auf  jeden Fall ging sie oft mit mir nach draußen, wälzte sich in der Sonne auf dem Weg vorm Kotten, stromerte ein bisschen im Gebüsch. Wenn  ich rein ging und sie rief kam sie entweder sofort mit oder durch die Katzentür hinterher.

Leonie lauerte in ihrem Korb unter der Lampe, auf dem Tisch immer auf eine Ansprache, die sie sofort mit ihrem eigenartigen krähenden Miauen beantwortete, eine Streicheleinheit oder ein Leckerli, wenn ich aus meiner Vorratskammer kam wo auch der Kühlschrank steht. Sie war ein sehr schlaues Mädchen,  zur Fütterungszeit stand sie mit ihren Vorderpfoten auf der Türklinke und guckte in den Wohnraum, ob sie nicht bald dran ist und machte sich zusätzlich lautstark bemerkbar. Manchmal, wenn die Tür zur Diele offen stand oder sehr selten durchs offene Schlafzimmerfenster (was im Sommer dauernd ist, wenn ich zuhause bin) kam sie in meine Wohnräume und hat sich unauffällig in ein Körbchen gelegt oder auch einmal in mein Bett, reichte ein einmaliges „Leonie raus“ . So gern ich sie hatte, das ging einfach nicht.

Ich wußte, es würde schwer werden, diese besondere Katze zu verlieren.

An dem Donnerstagmorgen mußte ich mit 3 Katzen zu meiner Tierärztin, jener ,die Leonie schon ihr Leben lang betreut hatte und an diesem Tag aus dem Urlaub wieder da war. Als ich die erste Katze ins Auto bringen wollte lag Leonie nicht unter ihrer Lampe und ich sah sofort warum: sie war auf dem Fußboden und versuchte sich mit den Vorderpfoten vorwärts zu bewegen und hatte ihren Körper nicht mehr wirklich unter Kontrolle. Sie protestierte als ich sie in eine Transportbox bugsierte und schrie, als ob sie Schmerzen hätte. Der Verdacht auf einen Schlaganfall war sofort da, nur die krampfartigen Verrenkungen waren etwas  eigentümlich. Ich entschloß mich dagegen, sie sofort einschläfern zu lassen, sie bekam eine ordentliche Portion Schmerzmittel, unter dem sie sich in der  Behandlungszeit der anderen Katzen sichtlich entspannte und nahm sie mit nach Hause. Dort legte ich sie in ihr Körbchen unter Rotlicht. Als ich die anderen Katzen fütterte wurde sie sehr unruhig, natürlich, ich hielt sie aufrecht und sie konnte essen und etwas Milch trinken. Bis ich nachmittags zur Arbeit mußte verbesserte sich ihr Zustand nicht, ich gab ihr ein zweites Schmerzmittel und informierte meine beiden Haupt-Catsitter, wie es um Leonie stand. Beide kannten  und liebten diese einmalige Katze schon seit Jahren und kamen  nachmittags, um sich zu verabschieden. Sie wollte wie gewohnt ihre Begrüßungs-Leckerlis und fraß diese auch mit Hilfe. Am späten Abend kam dann meine /unsere Tierärztin und schläferte Leonie ein. Es war besser hier , in der Praxis hatte sie immer soviel Angst. Vorher fraß Leonie noch etwas Dosenfutter und schlabberte ein wenig Milch, es fiel ihr schwer, ich mußte sie in Bauchlage halten, danach war sie ganz ruhig. Hatte sie das Telefongespräch mitbekommen? Einige werden mich für verrückt halten…

Fest steht, fast 15 Jahre war Leonie in meinem Leben, sie fehlt mir, die kleine Kackliese, trotz all der Arbeit. Ich höre immer noch ihr krähendes Miauen und wundere mich jedes Mal wenn ich auf die die Diele komme, daß die Rotlichtlampe nicht an ist…jetzt wo es doch unter 15 Grad ist.
Martina  Armbrecht